Nicht jeder ist ein Heimwerker-Naturtalent
Mainzer Rheinzeitung 27.04.2011
Interview: Die MRZ stellt Architektin Monika Diefenbach die grundsätzliche Frage: Alles selber planen oder lieber den Fachmann fragen? Mit Häusern ist es wie mit Autos: Es gibt einfache Kisten und luxuriöse Karossen mit viel Schnickschnack oder auch Liebhaberobjekte. Entsprechend bewegen sich die Ansprüche und die Kosten im Bereich Eigenheim in einem weiten Feld. Zuerst sollte geklärt werden, wo sich der Kunde und das Objekt auf der Skala findet. Mit der Architektin Monika Diefenbach aus Frankfurt sprach die MRZ über das Projekt Modernisieren. Ein Haus mit Renovierungs- und Sanierungsbedarf gekauft, das Budget ist aber begrenzt. Welche Maßnahmen machen sofort Sinn, welche lassen sich verschieben?
Alle Maßnahmen, die die Bausubstanz betreffen, sollten möglichst vor Einzug ausgeführt werden. Zum Beispiel alle Arten von Dachumbauten, Veränderung der Raumzuschnitte, Fenstervergrößerungen, Veränderung der Elektroinstallation und Verlegen von Heizleitungen sind immer mit viel Staub und Krach verbunden. Hingegen kann der Ausbau von einzelnen Räumen oder Geschossen oft zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Auch das Anbringen von Wärmedämmung auf die Außenwände kann gesondert erfolgen, allerdings wird dann auch wieder ein Gerüst benötigt.
Energetische Sanierung ist, mit Blick auf steigende Energiepreise, das Gebot der Stunde. Welche Maßnahmen haben den schnellsten, größten Effekt? Bei einem freistehenden Haus liegt das größte Einsparpotential meist bei der Wärmedämmung der Außenwände, je nachdem welchen Dämmwert die Fassade aufweist. Bei einem eingeschossigen Gebäude kann es Sinn machen, vor allem das Dach zu dämmen, weil hier der größte Anteil der Wärme verloren geht. Bei einem Reihenhaus kann es aber auch die Heizungsanlage sein, die zuerst ausgetauscht werden sollte. In jedem Fall ist individuell zu prüfen, ob und welche Maßnahmen einzeln umgesetzt werden können. Lohnt es sich, einen Altbau auf KfW-Standard zu trimmen? Auch hier kommt es wieder auf verschiedene Faktoren an. Habe ich zum Beispiel ein Reihenhaus aus den 70er Jahren mit versetzter Bauweise vor mir, dann ist es nicht ohne größere Maßnahmen möglich, die Gebäudehülle lückenlos gleichmäßig zu dämmen. Oder Teile der Außenwände stehen auf der Grenze und der Nachbar macht Probleme, weil sein Grund mit Dämmung verkleinert werden soll. Auch gibt es oft Wärmebrücken durch auskragende Balkonplatten, Vordächer oder massive Dachüberstände. Doch gibt es auch kompakte Baukörper, wo es sich meistens lohnt einen KfW-Standard anzustreben. Bei der Beurteilung dieser Fragen ist der Laie überfordert. Ein Architekt sollte das im Einzelfall detailliert auf Machbarkeit und Kosten prüfen. Welches sind die größten Gefahren bei der Sanierung? Es lauern mehrere Gefahren: Vielleicht werden vorhandene Bauschäden nicht oder zu spät erkannt. Oder es könnte sein, dass sich erst spät herausstellt, dass der angestrebte Energieeinsparstandard nicht erreicht werden kann und damit die Finanzierung platzt. Die Gebäudehülle muss lückenlos gedämmt und abgedichtet werden, sonst kann sich Kondenswasser in der Konstruktion bilden und damit Schäden am Gebäude verursacht werden. Auch ist dafür Sorge zu tragen, dass es zu einer ausreichenden Lüftung des nunmehr dichten Gebäudes kommt. Wie schaffe ich es, die Kosten im Rahmen zu halten? Eine gute Planung, realistische Kostenberechnungen und ständige Anpassung der Kostenberechnung und der Kostenvoranschläge sind die Grundlage. Gerade beim Bauen im Bestand tauchen immer unvorhergesehene Dinge auf, für die ein Budget da sein sollte. Bei zeitnaher Kostenplanung gelingt es oft rechtzeitig an anderer Stelle Kosten einzusparen, wie einfacheren Standard im Ausbau wählen oder den Wintergarten erst in fünf Jahren errichten zu lassen. Für eine Kostenkontrolle ist es unabdingbar, detaillierte Handwerkerangebote zu bekommen, um den Anteil an nachträglichen Arbeiten so gering wie möglich zu halten. Um vergleichbare Angebote von verschiedenen Handwerkern zu bekommen sind Leistungsverzeichnisse, die das Architekturbüro erstellt am sinnvollsten. Nähere Infos über die Aufgaben von Architekten gibt es auf der Homepage der Architektenkammern der Länder. Deutschland ist ein Land der Heimwerker und wenn es um das Eigenheim geht, ist selbst anpacken eine Frage der Ehre. Ist das für einen Laien empfehlenswert? Wo lauern dabei Gefahren? Ein Haus ist ein komplexes Gefüge. Es geht darum, ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, in dem die Maßnahmen in einem sinnvollen Zusammenhang stehen, die Kosten im Blick sind und die Bauabfolge der einzelnen Maßnahmen durchdacht ist. Bei allen Energieeinsparmaßnahmen sollte dennoch auch die Architektur im Auge behalten werden. Die Proportionen der Bauteile sollten stimmen, die Farb- und Materialauswahl zum Gebäude passen, und das Gebäude sich in seine Umgebung einfügen. Ich bezweifle, dass der klassische Laie alle diese Fragen sowohl fachlich als auch zeitlich alleine beantworten kann. Er sollte sich fragen, ob er seine Energie und Zeit nicht besser in seinen Job oder in das Familienleben investiert und sich stattdessen Fachleute holt, die in seinem Sinne das Projekt umsetzen. Aber auch hier gibt es sicher Naturtalente, die das alles prima selbst machen können.